Geist im modernen Weltbild


Welt ohne Anfang und Ende

Was ist Ewigkeit?

Weltuntergang in alle Ewigkeit. Mit diesen Worten könnte der gesamte intellektuelle Nonsens von erstarrter, weil festgeschriebener, Religion auf den Punkt gebracht werden. Seit Menschengedenken hat die Endzeit mehr Fragen und Antworten ausgelöst wie der Anfang. Das liegt ganz einfach daran, dass ausnahmslos alle, die sich damit auseinandersetzen, bereits da sind und zudem auch ein Alter erreicht haben müssen.

Während der Anfang nahezu unbemerkt zu existieren scheint, ist das Ende durchwegs geprägt worden durch Begriffe des Untergangs, Auslöschen, Versinkens. Schon hier wird klar, dass es sich um verschiedene Zeitvorstellungen handeln müsste, sollte darin überhaupt eine Folgerichtigkeit festzustellen sein. Sonnenuntergang und Finsternis, Überschwemmung durch Anstieg der Ozeane, Vulkanausbrüche, Erdbeben und dergleichen mehr sind bis auf den heutigen Tag als zum Teil mehrfach umgedeutete Zeitbegriffe in religiösen Auslegungen erhalten geblieben.

Aufgehen wird Euch die Sonne der Gerechtigkeit, ist eine solche belegte Umdeutung des römischen Sol invictus auf den neuen Christengott mittels Weltuntergang und Auferstehung. Das ändert aber nichts daran, dass es sich dabei um reinen Unsinn handelt, seit das Ende der Welt nicht mehr mit der Angst vor dem Sonnenuntergang und der einst unfassbaren Weite von Ozeanen, Wüsten oder Bergen gleichgesetzt werden kann.

Bleibt also festzustellen, dass Erkenntnis für sich allein genommen noch keine Intelligenz ist. Wenn die Basis verändert wird, weil durch neues Wissen andere Zusammenhänge entstehen, dürften die darauf abgestützten Vorstellungen nicht umgedeutet werden, sondern müssten mit Blick auf die geänderte Grundlage neu erklärt werden.

Diesen Vorgang darf man als Intellekt verstehen, der jetzt wenigstens teilweise vorhanden ist durch die Einsicht, dass die Veränderung als das Beständigste der Welt erkennbar wird. Bedingt durch die vergleichsweise kurze, in Generationen bemessene Lebensdauer der Menschen sind Institutionen, die mit schriftlich gefasstem Überblick mehr als die drei bis vier der Einzelperson präsenten Jahrgänge umfassen können, lediglich Archiv der Überlieferung und Registratur der Erfahrung und nicht wie angenommen Seelenverwaltungen.

Nebst der allen Menschen in irgendeiner Art und Weise bekannten Auferstehung der Seele ist durch die damalige Aufhebung der Druidenschulen in Europa auch gleich noch das Orakel tabuisiert worden, obschon das Rätsel der Weissagung ebenfalls für alle Menschen auf der magischen Ebene, also mit Bezug zur Hirnentwicklung für Ahnung und Meinung, von existentieller Bedeutung ist.

Religion müsste von der Funktionsweise des angeborenen religiösen Impulses her betrachtet ein Rätsel sein, sonst handelt es sich aus moderner Sichtweise nicht um Religion, sondern um Ideologie einer Gruppierung, die eine willkürliche Morallehre zur Wahrheit erhebt, wie dies bis auf den heutigen Tag immer wieder versucht wird. Das gilt notabene auch für die polytheistischen Heidengötter im modernen Paganismus, dem Neuheidentum.

Es gehört noch immer zu den tristen Einblicken ins Wesen der Menschen als manipulierbare Geistermassen, dass mit Intellekt keinerlei Wirkung erreicht werden kann. Der kultivierteste Mensch wird von einer Sekunde zur andern eine Bestie, weil die Hirnteile sozusagen kurzschliessen, wenn alle Bezüge zur Realität durch Glauben auf die magische Ebene kanalisiert werden.

Im Namen des Allmächtigen heiligt dann der Zweck die Mittel unabhängig der einst erhabenen intellektuellen Ansprüche. Man sollte zumindest nicht übersehen, dass die grundsätzlichen Gesetzesmässigkeiten, die damals aus den Mördergruben die Himmel erschaffen wollten, auch im umgekehrten Sinne tauglich waren und sind.

Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass im europäischen Christentum unter dem Einfluss der keltischen Dreieinigkeit ein monotheistischer Anfang zwei Enden erhalten hat. Im modernen Zeitbegriff der Folgerichtigkeit schliessen sich Weltuntergang und Ewigkeit jedoch wieder gegenseitig aus. Das Raum-Zeit-Kontinuum ist positiv oder negativ in sich gekrümmt. Die positive Krümmung ergibt eine unendliche Zeit in einem endlichen Raum, wie sich die Menschenwelt als in sich geschlossen darstellt.

Die Schlussfolgerung ist jetzt banal: Zeit hat weder Anfang noch Ende, sie ist, paradox zeitlos. Damit bin ich an diesem Punkt aber wieder gleich weit wie vor zweitausend Jahren, als Druiden lehrten, der Tod sei die Mitte eines langen Lebens.

Der Weltuntergang als Endzeitbegriff ist nur für den lebenden Menschen von Belang und ist im europäischen Christentum an die Stelle der hier nicht verständlichen Offenbarung des Gerichtes Gottes gerückt, was zur Folge hat, dass die Religion ihre vornehmste Aufgabe, nämlich die der Erneuerung durch das Orakel, nicht mehr vollumfänglich erfüllen konnte, weil sie sich an Menschen richtet, die vieles bereits besser wissen und sich darum der Glauben als Frage nach dem Sinn zum Denken hin verlagert.

In der Gleichzeitigkeit der verschiedenen Entwicklungen findet aber auch der als Jüngstes Gericht bezeichnete Vorgang schon zu Lebzeiten statt und entscheidet über den Zustand der Seele des betreffenden Menschen nach seinem Tod. Selbstverständlich steht es jedem Lebewesen anheimgestellt, sich dieser Zusammenhänge anzunehmen oder nicht.

Auf die Zeit bezogen zwischen Geburt und Tod hat das vordergründig auch keine Auswirkungen, im Gegenteil. Wer sich um die Beziehungen von Vergangenheit und Zukunft nicht zu kümmern braucht, hat gewissermassen mehr von der Gegenwart. Daran ist auch nichts auszusetzen, muss doch jeder Mensch auf seine Art und Weise selig werden können.

Unbestritten ist die Gegenwart aber auch die einzige Form der Zeit, die der Mensch zu seiner aktiven Verfügung hat, solange er lebt. Der Augenblick der Gegenwart für sich allein betrachtet ist einerseits ein durch Geburt und Tod begrenzter Zeitabschnitt, andererseits in Bezug auf die biologische Gesetzmässigkeit der Selbststeuerung durch Rückkopplung auch die Schnittstelle von Vergangenheit und Zukunft.

Der Umgang mit den verschiedenen Ebenen der Zeit als Teilen eines Zustandes ist folglich wesentlich für die weitere Entwicklung. Wenn die Menschen die Verbindung der verschiedenen Zeitformen nicht mehr ausreichend pflegen, verschiebt sich zwangsläufig die Basis der Rückkopplung.

Fortschritt oder Dekadenz sind so gesehen auch das Resultat der magischen und religiösen Funktionen und können intellektuell nicht direkt beeinflusst werden. Wenn beispielsweise einmal genug Mitglieder einer Gesellschaft nur noch rein gegenwartsbezogen leben, wie in dieser Kultur anhand der individuellen Selbstverwirklichung, frühzeitigen Pensionierung und krankenversicherten Unsterblichkeitshoffnung beobachtet werden kann, wird in einem immer schneller werdenden Rhythmus die Zukunft mit der Vergangenheit gleichgesetzt, bis auch die noch nicht entstandenen Momente keine Möglichkeit mehr haben werden, überhaupt zu entstehen.

Zur Ewigkeit, das heisst Zeit ohne Anfang und Ende, wird der Zeitimpuls erst durch die Einbindung in eine Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; ähnlich der Unendlichkeit im positiv in sich gekrümmten Raum-Zeit-Kontinuum. Da Menschen die Zeit gefühlsmässig nur linear als Addierung von natürlichen Vorgängen wie Tag-Nacht erfahren können, tendieren sie auch stets zu linearen Denkmodellen aufgrund unserer Beobachtungen.

So wäre beispielsweise die Erklärung der physikalischen Entstehung des Universums mit der wissenschaftlichen Urknall-Theorie durchaus nachvollziehbar, wenn die von den Wissenschaftlern beobachtete Ausdehnung des Weltalls bloss ein Teil ist, die ebenfalls festgestellte kosmische Hintergrundstrahlung auf die Erde zu kann bedeuten, dass die Implosion des Universums zur selben Zeit abläuft, von Menschen jedoch noch nicht begriffen werden kann.

Wenn aber die physikalische Ex- und Implosion des Universums identische Teile desselben Vorganges sind, ist der Mensch mit seinem Vorstellungsvermögen von Anfang und Ende an dem Punkt der Erkenntnis, dass es die Welt gar nicht gibt, sondern vergleichbar bloss eine Art Traum wäre, was aber für Menschen zumindest auf die Gegenwart bezogen nicht zutreffen will.

Anfang und Ende der Welt sind somit zeitgleich die ewige Zeit selbst und vom Betrachter aus gesehen davon abhängig, welcher Punkt in der Unendlichkeit zum Moment gemacht wird. Dieser Ort, der für den Menschen überall und nirgends sein kann, ist vorstellbar als eine Spiegelung von Vergangenheit und Zukunft, die vom Menschen als reale Gegenwart bezeichnet, als das weltlich Unvergängliche verstanden und in einem übertragenen Sinn mit dem früheren in Ewigkeit, Amen, auch tatsächlich gefühlt wird.

Ein Zielkonflikt ist in der Evolution ausgeschlossen, weil die Selbststeuerung durch Rückkopplung keiner Vorgabe bedarf. Der Mensch kann lediglich die von der Natur erzwungenen Umstände beobachten und eine erkennbare Richtung als mögliches Ziel vermuten und daraus eine Moral ableiten.

Doch selbst dies ist fragwürdig und nur kurzfristig möglich. Mit Sicherheit richtig ist, wenn als Ziel die Entwicklung selbst gesetzt wird, die ihrerseits keine vom Menschen formulierten Absichten verfolgt. Wenn sich auf dem Planeten Erde in einem Sonnensystem einer Galaxie einst der Mensch zum Wort Gottes erhob, geschah dies in Unkenntnis fast aller zwar schon damals bestehender Sachverhalte, die ich hier beschrieben habe.

Damit ist auch klar, was sich in Europa zwingend verändert: Die Moral aus den zufälligen Geschichten von alten Männern wandelt sich zu einer Kultur des Denkens zusammenhängender und gleichzeitig ablaufender Entwicklung. Durch ein grundlegendes Verständnis der Dreieinigkeit bedarf es keiner Morallehre, im Gegenteil, die Mitte der Polarität umfasst in sich selbst die ganze Geschichte. Zeitgleich gleichzeitig.