Geist im modernen Weltbild


Toleranz

Gleichgültigkeit entwurzelt die Seele

Tolerant sein, vielfach bezeugt wie noch mehr verlangt, meint die Tendenz zur relativen Wahrheit innerhalb der Ersatzreligion in dem Sinne, dass auch Gedanken geduldet werden müssten, mit denen man nicht einverstanden ist.

Allgemein wird Toleranz aus der persönlich beanspruchten Glaubensfreiheit abgeleitet und dient vor allem zur Rechtfertigung einer Verhaltensweise, die für das Umfeld nicht ohne weiteres begreifbar ist. Die Person verlangt also einerseits Gleichgültigkeit von anderen und andererseits will sie anerkannt sein als Teil der Zugehörigkeit. Im Extremfall wird heute von politischer Seite an die Bevölkerung appelliert, radikalen Randgruppen, die in einem höchstem Mass von Intoleranz gewaltsam ihre Interessen durchsetzen, mit Toleranz zu begegnen und auf deren Anliegen einzugehen.

Eine bewusste Aufforderung zur oder eine willentliche Inanspruchnahme von Toleranz ist stets eine Manipulation mit dem Zweck, egoistische Motive zu tabuisieren. Die religiösen und politischen Kasten der Rechthaberei arbeiten heute alle auf dieser Basis. Mit der Legitimation der für sich selbst verlangten Toleranz kann jeder Unsinn in die Wege geleitet werden, die Anderen sind einfach intolerant, weil fundamentalistisch und polemisch.

Das ist nun wirklich etwas für diejenigen, die daran glauben müssen. Entweder bildet sich nämlich ein Mensch seine Meinung zu irgendetwas oder eben nicht. Das zweite kann ausser Betracht fallen; wer keine Meinung hat oder noch unentschlossen zuwartet, ist solange tolerant, wie etwas gleichgültig ist. Anlass zu dieser Duldsamkeit ist bloss die Nichtbetroffenheit, wobei diese vermeintlich toleranten Menschen dann eine Neigung zur Überreaktion zeigen, wenn es einmal nicht mehr anders geht, als selbst einen Gedankengang mit einer Schlussfolgerung zu beenden.

Wie steht es nun aber mit der Toleranz derjenigen, die sich selber eine Meinung bilden können oder müssen? An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es keine nicht reale Wahrheit gibt, auch keine relative. Niemand, aber auch wirklich gar niemand, hat auch nur ein kleines bisschen Recht und schon gar nicht haben alle irgendwie doch auch Recht; solche Logik ist nur in einer Religion möglich und ist falsch, weil nicht folgerichtig.

Erst die Pflichterfüllung bezogen auf einen mehrdimensionalen Zustand lässt das, was als Wahrheit begriffen werden kann, laufend neu als die Bedeutung dieser Zeit entstehen, die Wahrheit ist theoretisch in jedem Sekundenbruchteil wieder eine andere. Entscheidend sind die Bezugspunkte der lebenden Gedanken in diesem Gesamtzusammenhang und dafür, wo diese sind und ob eine Weiterentwicklung stattfindet oder nicht, ist der einzelne Mensch selbständig und unabhängig verantwortlich.

Es gibt keine Abkürzung dieser Pflichten, die auf den individuellen Egoismus Rücksicht nähme, so als ob die persönlich angenehmste Variante der Erfahrungen plötzlich die Wahrheit würde. An den gutbezahlten Arbeitsplätzen dieser Zeit wird also nicht automatisch auch etwas sinnvolles geleistet und so weiter.

Das Leben ist eine todernste Angelegenheit der Pflicht; Recht ist im Verhältnis gesehen lediglich eine Belustigung der Macht. Im Gegensatz zum Recht toleriert die Pflicht kein sowohl als auch, sondern verlangt ein entweder oder. Entweder stimmen die Zusammenhänge oder dann sind sie falsch, Toleranz gibt es nicht in der gedanklichen Ebene. Das Spektrum möglicher Abweichungen von einer festen Position aus macht keinen Sinn, davon ausgehend dass jede Seele als sich von etwas bewusst sein [nicht gleich der ideologischen Behauptung vom Sein mit dem Sinnbild vom Bewusstsein] eines Menschen einzigartig ist. Hier einen Durchschnitt und die Toleranz bzw. die Abweichung festhalten zu wollen, verleugnet die Einmaligkeit der Seele und offenbart zugleich die Absicht, die Gedanken manipulieren zu wollen, warum auch immer.

Grundsätzlich wird die gedankliche Ebene von den Exponenten der Religion und Politik noch immer mit einer Massenseele gleichgesetzt, wie sie seit 1895 in dem aus der Völkerkunde entstandenen Wissenschaftszweig der Massenpsychologie beschrieben wird: Die Kunst, die Einbildungskraft der Massen zu erregen, sei die Kunst, sie zu regieren. Erst danach ist dann Politik die Kunst des Machbaren. Je toleranter die Menschen also sind im Sinn von ausnivelliert um einen gesetzten allgemeinen Durchschnitt, desto einfacher können sie auch gezielt manipuliert werden, was aber bis auf den heutigen Tag ein nicht strafbares Verbrechen an der gedanklichen Dimension darstellt.

Man muss sich das vorstellen: Seit der Überlagerung der keltischen Kultur durch die griechisch-römische Denkweise gibt es in Europa Menschen, die einerseits für sich selbst Denken und Seele nicht negieren und dennoch in Organisationen mitwirken, welche anderen Menschen die eigenständige Denkweise und Seligkeit absprechen, manipulieren und verbieten, indem sie aus der Seele des Einzelnen eine Volksseele der Masse konstruieren, die je nach Gutdünken zum eigenen Vorteil missbraucht werden könnte.

Das Volk habe die Führung, die es verdiene, sagt man dann. Diese unehrenhafte Grundeinstellung ist heute allgemein üblich, noch der dümmste Funktionär ist von seinem Mehrbessersein überzeugt und wird sich ohne weiteres dazu erdreisten, andere in ihrer Würde herabzusetzen, wenn deren Ansichten nicht mit seiner gelernten Meinung vom dummen Volk übereinstimmen.

Die Massen- oder Volksseele ist aber etwas völlig anderes. Dass es eine zumindest regionale Art Grosswetterlage des Zustandes aller Menschen gibt, kann jeder bestätigen, der beispielsweise wegen seines Berufes täglich einige zufällige und unverbindliche Gespräche mit Mitmenschen führen kann. Ein Taxifahrer kann mühelos feststellen, wie sich die Bevölkerung zu verschiedenen Zeiten ähnlich verhält. Es gibt Tage, wo viele unruhig schlafen oder am Morgen verschlafen. Oder Tage, die sich durch registrierbare Aggressivität auszeichnen. Die Redensart, heute spinnen wieder alle, haben sicher alle schon selber gemerkt. Mag sein, dass auch noch Ekliptik der Erde, Mondstand, Gezeitenwechsel und so weiter dabei eine Rolle spielen.

Erklärbar werden solche Feststellungen, wenn man das menschliche Sein als eine Teilnahme an einem Zustand begreift; dann wird vieles einfach logisch. So entstanden die grossen Weltreligionen zeitgleich und unabhängig voneinander wie später die sozialen Systeme ebenfalls. Es gibt keinen sichtbaren Grund, nicht von dem auszugehen, was tatsächlich bemerkt werden kann: Dass sich das gesamte Gedankengut der Menschheit auf Erden in seiner Vielfalt als Ganzes entwickelt.

Wenn aber die einzigartigen Teilnehmer mit ihrem Leben in einem gemeinsamen Zustand eingebunden sind, kann sich Toleranz nur noch auf die Pflichterfüllung beziehen, ein Verständnis in dem Sinn, dass alle Menschen gleich seien und sich bloss noch brüderlich und schwesterlich die Hände reichen sollten, ist klar falsch, denn wer sich in seiner Lebenspflicht aus egoistischem Anlass auf die Toleranz anderer Teilnehmer stützen will, verlässt die Entwicklung der Zusammenhänge und blockiert mit dieser Gleichgültigkeit die Seelenwanderung, er lebt fortan mit einem entwurzelten Denken als manipulierbares Wesen, fleissig und tolerant, meistens zwecks egoistischer Selbstverwirklichung in der Abhängigkeit.

Die angeborenen zwischenmenschlichen Funktionen von Zuneigung und Ablehnung können im herkömmlichen Sinn der Toleranz verstanden werden, indem ein Nicht-Freund nicht ohne weiteres ein Feind ist, wobei die doppelte Negation in dieser Überlegung auf etwas Selbstverständliches hinweisen mag. Tolerant sein bedeutet, mit jenen Mitmenschen Freud und Leid zu teilen, die durch ihr Verhalten im gemeinsamen Umfeld keine Toleranz nötig haben, zu den anderen darf man ohne Bedenken auf Distanz gehen, die sollen selber schauen, wo sie mit ihrem egoistischen mehr sein und haben wollen hinkommen. Isoliert und ausgegrenzt werden müssen dagegen die Gedankengänge von Vereinigungen und Organisationen, die bewusst beeinflussen.

Es werden laufend Märchen erfunden, etwa Menschen sässen alle im gleichen Boot; globales Denken sei zum Überleben nötig; Europa sei ein gemeinsames Haus; und vieles andere mehr. Das sind reine Erfindungen mit irgendwelchen Absichten. Als Basis kann davon ausgegangen werden, dass eine Sippschaft von wenigen Familien ohne vorbestehende Infrastruktur problemlos in freier Wildbahn vorläufig überleben könnte, ohne nochmals von vorne beginnen zu müssen.

Man kann sich das wirklich versuchen vorzustellen: Eine Reduzierung der gesamten Menschheit auf wenige hundert Menschen oder gar auf Null würde für die Evolution keine wesentliche Störung bedeuten. Das heisst auch, dass der Mensch mittels gezielter Bevölkerungsdezimierung die Entwicklung längerfristig eben nicht beeinflussen kann.

Die Anzahl Menschen auf der Erde ist nur für die Menschheit selbst von Belang. Wenn also zum Beispiel die halbe Welt an irgendeiner Seuche zu Grunde geht, spielt das persönlich keine Rolle, weil jeder durch sein Verhalten selber dafür Sorge tragen muss, wie er und sein Umfeld weiterlebt.

Was für die eigene Lebensführung wichtig und notwendig ist und was nicht, sollte daher kein unlösbares Problem darstellen.