Kelten und Druiden in der Schweiz


Der Tod sei die Mitte

Von dieser Lehre keltischer Druiden erhält die Nachwelt durch einen Römer Kenntnis, und zwar erst, nachdem römische Heere die Kelten unterworfen hatten und deren Kultur bereits zerfällt. Diesen Bericht hat der Dichter Marcus Annaeus Lucanus in Pharsalia, De bello civilis, (I,450-462) verfasst. Er lebte 39 bis 65 n.Chr., also zu einer Zeit, als bereits römische Kaiser wie Augustus, Tiberius und Claudius das Druidentum verboten und dadurch die keltische Kultur der Schulen beraubt hatten.

Auch ihr, Druiden, greift von den abgelegten Waffen her die barbarischen Riten und die finsteren Bräuche eurer Heiligtümer wieder auf. Euch allein ist es gewährt, die Götter zu kennen, sowie die Wirkmächte des Himmels oder euch allein, sie nicht zu kennen. Ihr bewohnt die tiefen Wälder, wo kein Licht hinreicht. Unter eurer Urheberschaft eilen die Totenschatten nicht zu der schweigenden Wohnstätte des Erebus und zum blassen Reich des Dis in der Tiefe. Der gleiche Lebenshauch lenkt die Körperglieder in einem anderen Himmelsgewölbe. Der Tod ist die Mitte eines langen Lebens, wenn ihr singt, was euch bekannt ist. Gewiss sind die Völker, auf welche die beiden Bären [das Sternbild nördlich der Alpen] hinabblicken ob ihres Irrens glücklich, welche jener grösste der Schrecken, nämlich die Furcht vor dem Tod nicht bedrängt. Daher haben sie, ob ihrer Kräfte und des Mutes, der den Tod in Kauf nimmt, ein Gemüt, das geneigt ist, ins Schwert zu rennen. Und es ist feige, ein Leben zu schonen, das im Begriff ist wiederzukehren.

Lucanus schreibt aus seiner römischen Sichtweise, in welcher Körper und Seele animistisch getrennt sind, von Todesfurcht. Aus dieser seiner von der griechischen Mythologie (Polytheismus) geprägten Vorstellungswelt ist sein Vergleich zu verstehen. Er meint damit nämlich nicht die keltisch dreieinige Mitte, wo leblos und lebendig die sich ändernde Form des Gleichen darstellen und bezieht seine dualistische Mitte von diesseits-jenseits auf die lebende Person, was zum Irrtum einer persönlichen Wiedergeburt führt. Keltisch ist aber die Auferstehung an einem anderen Ort, in einer anderen [monistisch aber in dieser gleichen] Welt im Sinne einer unvergänglichen Seele, der gelebten Todlosigkeit.

An einer anderen Stelle schreibt Julius Cäsar, ebenfalls aus römisch-griechischer Perspektive: Alle Gallier rühmen sich, vom Dis abzustammen (De bello gallico, Liber VI,18). Das heisst mit anderen Worten, die Kelten waren davon überzeugt, direkt von den Toten abzustammen.

Der ursprünglich tragende Gedanke der so genannten Proto-Indoeuropäer, geographisch heute [2012] keltisch-tocharisch vom Atlantik bis China nordöstlich von Tibet, ist überliefert im Rig Veda I-164, Vers 30:

Atmend ruht das Leben und ist doch schnellen Ganges, sich regend und doch fest inmittender Flüsse. Die Seele des Toten wandert nach eigenem Ermessen. Die unsterbliche Seele ist gleichen Ursprungs mit dem Sterblichen.

Der christliche Leib-Seele-Dualismus [Animismus] hat keinen keltischen Hintergrund. Die gelebte Todlosigkeit ist ein Verständnis der Umwandlung von leblos zu lebendig und umgekehrt. Dreieinig. Trinität.