Biografie von Rolf Pfister in Zürich


Taxigeschichten

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die nachfolgend beschriebenen Erlebnisse, ich wechsle dazu in die dritte Person, bilden keinen Gesamt-Eindruck vom Taxi, sondern sind willkürlich ausgewählt aus meinen aber zehntausenden von Einzel-Erfahrungen. Selbst die eher mühsamen eingerechnet, 99,9% aller Taxi-Fahrten bleiben mir in guter Erinnerung. Die Taxifahrt ist das einzigartige Ereignis mit einem zwischenmenschlichen Kontakt.

 

Verstecken zwecklos

In einem Aussen-Quartier wurde Rolf von einem Fussgänger mit Fahrrad auf dem Gehsteig angehalten. Es war morgens um halb drei Uhr, unter der Woche der letzte Termin der Polizeistunde in dieser Gegend. Der junge Mann fragte ihn, ob sein Taxi frei wäre, er müsste nach Hause, nach Nürensdorf. Er machte Rolf darauf aufmerksam, kein Geld mehr dabei zu haben, doch das sei kein Problem, er würde noch bei seiner Mutter wohnen, die das Taxi bezahlen werde. Rolf doppelte sicherheitshalber nach, er müsse aber ganz sicher sein, ob die Mutter wirklich bezahle, auf Kredit beziehungsweise Rechnung fahre er nicht. Hoch und heilig versprach der andere die hundertprozentige Bezahlung. Er müsse am Morgen wieder früh raus zur Arbeit und würde darum einen Taxi nehmen, mit dem Velo werde es zu spät. An sich machte der junge Mann einen sauber gepflegten und anständigen Eindruck. Als sie sich einig wurden, wollte Rolf aussteigen, um das Velo in den Kofferraum des Wagens zu verladen. Das Fahrrad lasse er hier, das sei nicht sein Eigentum. Der junge Mann liess den Draht-Esel einfach umkippen und auf dem Gehsteig liegen. Hoppla, dachte sich Rolf, das kann ja heiter werden.

Unterwegs hatte Rolf wie schon oft das Gefühl, den Fahrgast schon einmal gefahren zu haben. Er erinnerte sich, früher vom Letten aus der Drogenszene einen damals sehr jungen Burschen ohne Geld nach Nürensdorf gefahren zu haben. Dessen Vater deponierte ihm jeweils das Taxifahrgeld im Paketkasten neben dem Briefkasten bei der Haustüre eines Mehrfamilienhauses. Es könnte der gleiche gewesen sein, er würde das Haus wieder erkennen, wenn sie dort sind. Irgendwie kam das Gespräch während der Fahrt dann auf den Zusammenhang Alkohol, Autofahren und Sterben. Der Fahrgast erzählte von einer Episode seiner Mutter, die voll betrunken mit hoher Geschwindigkeit einen schweren Auffahrunfall mit Verletzten verursacht habe. Sein Vater habe dann aber eine Gefängnisstrafe von ihr abwenden können, indem sie für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Sie sei eine Alkoholikerin. Leider sei der Vater, den er gut mochte, vor einem Jahr bei einem Flugzeugunglück verstorben.

In Nürensdorf hielten sie tatsächlich vor dem Haus, das Rolf von früher bekannt war. Eine jüngere Überbauung, vielleicht etwa zehn Jahre alt, die moderne Architektur mit dem vermeintlichen Dorfcharakter vergangener Zeiten. Die Abfallcontainer verstecken sich im Abteil von stehend im Boden eingelassenen Eisenbahnschwellen. Die oberirdischen Parkplätze mit Platten, die halb und halb aus Stein und Grün, umweltbewusst. Der junge Fahrgast wollte nun den Taxifahrer den Weg entlang des Hauses zur Türe schicken, er selbst würde durch die Tiefgarage ins Haus gehen und ihm dann dort öffnen, sein Schlüssel gebe nur auf diese Art und Weise Zutritt zum Haus. Solch einen Unsinn liess sich Rolf nicht bieten. Er hatte sich daran gewöhnt, mit den Fahrgästen ohne Geld immer bis vor die Wohnungstüre mitzugehen. Er stand nur ein einziges Mal, vor langer Zeit, nachts vor einem verschlossenen Mehrfamilienhaus und wartete vergebens auf die Rückkehr des Fahrgastes, von dem er nicht einmal den Namen kannte. Rolf nahm also routinemässig Wagenschlüssel und Geldbörse und ging zusammen mit dem Mann die Einfahrt zur unterirdischen Garage hinunter, quer durch die Einstellhalle zum Treppenhaus und dort wieder hinauf bis zu einer Wohnungstüre im Hochparterre. Wie immer blieb Rolf vor der Türe stehen, er betrat aus Gründen seiner Sicherheit keine fremden Fahrgastwohnungen. Normalerweise lassen die Leute die Türe einen Spalt offen, wenn sie das Geld holen. Dieser Mann machte die Türe ganz zu und schliesst sie sogar von innen mit dem Schlüssel. Rolf dachte, komisch, aber vielleicht eine Angewohnheit. Er ging schon mal die paar Stufen hinunter zur Haustüre, um nachzusehen, ob sich diese von innen öffnen liesse, was tatsächlich der Fall war. Er arretierte die Türe offen und trat ins Freie, sah, dass in einem Zimmer der Wohnung Licht durch die geschlossenen Jalousien schimmerte.

Irgendwann war die Zeit abgelaufen, welche man dazu benötigen würde, mit dem Geld zurück zu kommen. Rolf klingelte an der Haustüre, ging hinauf und klopfte energisch an die Wohnungstüre. Erst nach weiterem lauten Poltern drehte sich der Schlüssel. Eine etwa 50-jährige, bleiche Frau im Morgenmantel öffnete und fragte erstaunt, was denn los sei. Rolf erklärte, ihr Sohn sei vorhin in die Wohnung gegangen, um das Geld für den Taxi zu holen und nicht mehr zurückgekehrt. Das könne nicht sein, ihr Sohn sei ihres Wissens noch gar nicht zu Hause. Rolf erklärte ihr, er selber habe ihren Sohn bis hier an diese Türe begleitet und mit eigenen Augen gesehen, wie er in dieser Wohnung verschwunden sei, er müsse da sein, ob sie bitte nachsehen würde. Offenbar wurde er etwas laut, die Frau wollte jedenfalls aus Rücksicht mit den Nachbarn vom Treppenhaus in die Wohnung wechseln zum weiterreden und bat ihn einzutreten. Die kleine Dreizimmerwohnung roch stark nach ungesäubertem Katzenklo. Zusammen schauten sie in jedes Zimmer, auch Bad und WC, doch der Fahrgast blieb verschwunden. Die Tür zum Gartensitzplatz war von innen verschlossen, aber der Roll-Laden war hochgezogen, beim Fenster war er unten. Bei Rolf stieg der Verdacht auf, die alkoholkranke Frau könnte mit ihrem drogensüchtigen Sohn gemeinsame Sache machen, wenn es nun darum ging, seine fünfzigfränkige Taxifahrt zu bezahlen. Die Frau bestand weiterhin darauf, ihr Sohn sei noch gar nicht nach Hause gekommen und bestritt auch Rolf's Behauptung, er habe ihn selber in diese Wohnung gehen sehen. Das sei gar nicht möglich von der geschlossenen Haustüre aus. Doch Rolf war ja nicht wie vom Fahrgast angewiesen zur Haustüre gegangen, sondern mit ihm bis vor die Wohnungstüre, was die Frau aber nicht wusste.

Rolf brachte es nicht fertig, die Frau direkt der Lüge zu bezichtigen, er hatte Bedenken, die Lage könnte ausser Kontrolle geraten, die spindeldürre Schnapsdrossel machte nämlich einen verzweifelten Eindruck, die Augen wohl hell und wach, aber leer und bar jeden Ausdrucks, in der Stirn tiefe senkrechte Furchen, die Unterlippe leicht gewölbt nach aussen gestülpt, die Mundwinkel wie die Wangen schlaff hängend. Sie setzte sich an den runden Tisch im halben Zimmer und zündete sich nervös mit zittrigen Fingern eine Zigarette an. Rolf fragte sie, ob sie das Taxi bezahlen würde, sonst müsse er die Polizei rufen. Sie bezahle sicher nichts, er solle ruhig telefonieren, der Apparat stünde im Wohnzimmer. Von der Notrufnummer wurde er zur Einsatzleitung der Kantonspolizei verbunden, es würde jemand vorbei kommen. In der Zwischenzeit unterhielt sich Rolf mit der Frau, welche wie ein Häufchen Elend am Tisch sass, erwähnte die Schilderungen ihres Sohnes während der Taxifahrt. Sie bezahle nichts mehr für den, der sei volljährig und müsse selber schauen. Er habe kein Geld, weil er keine Arbeit finde. Ob sie denn das gut finde, wenn es nun zu einer Anzeige wegen Taxiprellerei komme? Wenn sie bezahle, könne dies verhindert werden. Jetzt sei es schon zu spät, er habe ja die Polizei angerufen. Als es klingelte, ging Rolf die Türe öffnen, wie wenn er hier zu Hause wäre. Draussen standen zwei junge Polizisten in Zivil, denen man den Beruf überhaupt nicht ansehen würde. Nachdem Rolf den Vorfall kurz geschildert hatte, durchsuchten die beiden die Wohnung nach dem verschwundenen Fahrgast, schauten auch in alle Schränke, im Zimmer des Burschen fanden sie Utensilien, wie sie von Drogenabhängigen benutzt werden, sonst nichts, der Fahrgast blieb spurlos verschwunden. Zweifellos wurde er von der Mutter durch den Gartensitzplatz ins Freie gelassen. Sie befragten noch kurz die Mutter, was ihr Sohn arbeite, notierten die Personalien und belehrten dann Rolf, er könne morgen bei der Kantonspolizei eine Strafanzeige einreichen, gaben ihm eine Visitenkarte mit ihren Namen, er könne sich auf sie beziehen, sie würden einen Journaleintrag machen.

Der junge Mann hatte keine Chance, trotz der Hilfe seiner Mutter. Da für eine Strafanzeige eine gesetzliche Eingabefrist von drei Monaten bestand, tat Rolf erst einmal gar nichts, nach zwei Monaten schickte er gleich eingeschrieben eine letzte Mahnung über einen Gesamtbetrag von hundertzwanzig Franken, verbunden mit Androhung einer Strafanzeige bei Nichtbezahlung innert zehn Tagen. Nach einer Woche wurde der Betrag eingezahlt von einem Rechtsanwalt, der auch Beistand des Jungen war. Die ursprüngliche Taxifahrt hatte nun mehr als doppelt so viel gekostet.

 

Seltsame Gesetze

Gegen drei Uhr morgens steuerte Rolf sein Taxi in Richtung Langstrasse zurück. Als er in eine Querstrasse einbog und dazu den Gehsteig überqueren musste, sah er weiter vorne drei Männer, die eben aus einem Haus kamen, in welchem sich mehrere Sexsalons befanden. Der Kleinste winkte aufgeregt, Rolf blieb halb auf dem Gehsteig stehen und wartete, es waren zwei ältere kleine Männer, in der Mitte ein junger, grosser Hüne. Jener, der gewunken hatte, öffnete die hintere Türe und wollte einsteigen, als ein anderer laut etwas zu ihm sagte, Rolf verstand nicht was, die Sprache tönte wie serbokroatisch. Der Kleine schlug die Türe wieder zu, der Grosse öffnete die Beifahrertüre, bückte sich leicht und fragte:
"Warum du anhalten?"
Rolf neigte sich leicht hinüber, um ihn ansehen zu können und fragte zurück.
"Brauchen Sie kein Taxi?"
Dann realisierte er noch eine Bewegung und hörte ein schepperndes Geräusch bevor ihm schwarz wurde vor den Augen. Als er wieder zur Besinnung kam, war sein Wagen einige Meter weiter vorne an einem Strassenpfosten zum Stillstand gekommen. Rolf wusste zuerst gar nicht, was passiert war. Blut war auf seinem Hemd und er merkte, seine Brille fehlte. Er schaute sich im Rückspiegel an und sah die Haut an der Nasenwurzel blutend gerissen. Jetzt dämmerte ihm, der hatte ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Er stellte den Motor ab und stieg aus, um die Brille zu suchen, sie lag im Fonds auf dem Wagenboden und war zum Glück unbeschädigt. Er war fassungslos, konnte nicht glauben, was ihm da geschehen war. Dann zuckte ihm durch den Kopf, so was macht der nicht mit mir, den kauf ich mir, diesen Drecksack. Er fuhr rückwärts auf die Hauptstrasse und beim nahen Park entdeckte er im Licht des gegenüberliegenden Ausganges die Silhouetten der drei Männer.

Auf dem Weg dorthin kreuzte ihn zufällig ein Streifenwagen der Stadtpolizei. Rolf kehrte nochmals, fuhr ihm nach und brachte ihn durch Lichthupen zum Anhalten und meldete, was ihm eben widerfahren war. Sofort fuhren beide Wagen zum Ausgang des Parks, wo die drei eben in einer Querstrasse verschwanden. Der Grosse war es, sagte Rolf noch und die beiden Polizisten rannten los. Rolf parkierte erst seinen Wagen ordnungsgemäss und entfernte das Taxischild. In der Querstrasse hatten die Polizisten dem Hünen bereits Handschellen angelegt. Rolf musste sich beherrschen, am liebsten wäre er näher getreten und hätte diesem den Schlag gleich zurück gegeben. Während sie auf den Kastenwagen warteten, welcher den Schläger abführen würde, musste Rolf noch seine Personalien angeben, dann konnte er gehen.

Als ein paar Wochen später eine Mitteilung des Polizeirichteramtes eintraf, war die Empörung im Bekanntenkreis einhellig. Der Schläger, ein zwanzigjähriger Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien, war mit einer Busse von hundert Franken bestraft worden und hatte gesamthaft mit Spruch- und Schreibgebühr 268 Franken zu bezahlen. Hundert Franken für diesen grundlosen Angriff auf die Gesundheit eines fremden Mitmenschen? Rolf hätte dabei sein Augenlicht verlieren können. Wenn sein Fuss aufs Gaspedal gerutscht wäre nach dem Schlag, sein Wagen hätte führerlos einen enormen Schaden verursacht.

Letzthin hatte Rolf nachts um zwei Uhr ausserorts auf einer menschenleeren, unbelebten Strasse im Dunkeln eine Tempo-Tafel übersehen und war von einem Radarautomaten mit zwanzig Stundenkilometern zu schnell geblitzt worden. Er war mit einem Fahrgast gemütlich unterwegs und fuhr den Stassen-Verhältnissen angepasst, hatte bloss die Signalisation nicht gesehen. Für diese Unaufmerksamkeit bei der Arbeit wurde Rolf mit fünfhundert Franken Busse bestraft und hatte gesamthaft mit der Androhung eines Führerausweisentzuges total 1'095 Franken zu bezahlen, mehr als viermal so viel wie dieser gemein gefährliche Schläger für den böswilligen Angriff auf Leib und Leben, welcher richterlich als blosse Tätlichkeit verharmlost wird.

 

Erfolglose Flucht

Frühmorgens um etwa halb Vier wurde Rolf an einer Hauptstrasse in Zürich-Nord nahe bei einem Nachtclub von zwei Pärchen angehalten. Hübsche Frauen, deutsche, beide in schwarzen Lederanzügen, ihre Begleiter ein Blonder und ein Schwarzafrikaner, ebenfalls modisch gekleidet. Eine der Frauen fragte, ob er sie für hundert Franken nach Dettinghofen fahren würde. Das kenne er nicht, wo das denn sei. In Deutschland, gleich nach Eglisau. Rolf wusste, bis Eglisau kostete etwa hundert Franken und offerierte, für hundertzwanzig würde er fahren. Einverstanden, abgemacht, sie stiegen ein.

Rolf hatte ein gutes Gefühl und verlangte keine Vorauszahlung, die vier Erwachsenen haben sicher genug Geld zum Bezahlen. Unterwegs überlegten sich die Fahrgäste tuschelnd, welchen Grenzübergang sie wählen sollten und entschlossen sich für Hüntwangen, dort sei fast nie eine Kontrolle. Der Nachtclub, wo sie herkamen, ist bekannt als Drogenhöhle der Technoszene. Wahrscheinlich hatten sie etwas gekauft und fürchteten jetzt eine Kontrolle am Zoll. Nach Eglisau dirigierten sie Rolf den Weg durch einen Wald. Der Schlagbaum am Zollhäuschen war oben und kein Mensch anwesend. Erleichterung machte sich breit. Nach ein paar Minuten erreichten sie Dettinghofen. Dort leiteten sie Rolf von der beleuchteten Hauptstrasse weg in den nachtschwarzen Dorfkern. Bei einem grossen Brunnen musste er anhalten. Der Schwarze neben ihm blieb sitzen und suchte sein Geld in der Hosentasche, die drei vom Rücksitz stiegen aus.

Draussen war es stockdunkel, Rolf hatte die Innenleuchte eingeschaltet und konnte nicht sehen, wie sich die drei leise entfernten. Nun stieg der Schwarze ebenfalls aus und blieb bei der geöffneten Türe noch einen Moment stehen, bevor er sie zuschlug. Erst jetzt realisierte Rolf, die wollten ihn nicht bezahlen. Er stellte den Motor ab und stieg aus. Die vier waren verschwunden, in der Dunkelheit wie vom Erdboden verschluckt. Rolf rannte zurück zur dunklen Strasse, wo sie herkamen. Weiter vorne sah er im Gegen-Licht der Hauptstrasse gerade noch eine der Frauen um die Ecke verschwinden. Er rannte ebenfalls dorthin und fand an der nächsten Ecke einen ganz frischen Fuss-Abdruck in der Erde einer Rabatte. Dadurch wusste er wenigstens die Fluchtrichtung. Ausser Atem kehrte er langsam zum Taxi zurück. Sein Herz schlug rasend schnell, er war eben das erste Mal seit vielen Monaten wieder gerannt.

Er setzte sich in den Wagen und ärgerte sich erst einmal masslos. Sollte er sich das einfach gefallen lassen? Nein, aber was tun? Zuerst fuhr er das Taxi zur beleuchteten Hauptstrasse und parkierte dort an der Bushaltestelle, dann zündete er sich eine Zigarette an und überlegte. Sein Mobiltelefon hatte keinen Empfang, für die Telefonkabine hatte er kein deutsches Geld. Inzwischen hatte ihn die Wut gepackt. Das machen die nicht mit ihm, nein, mit ihm nicht, und wenn er hier warten müsste, bis einer von denen auf den Bus muss. Dettinghofen war ein Weiler mit lediglich ein paar Dutzend Häusern. Rolf dachte sich, jetzt um vier Uhr früh, wo alles dunkel ist, sind seine geflohenen Fahrgäste vermutlich die Einzigen, die noch Licht haben könnten. Er stieg aus, ging spazieren und fand schon nach wenigen Minuten ein Mehrfamilienhaus, wo noch ein Licht brannte im ersten Stockwerk. Er schlich entlang der Mauer direkt unter das Fenster und horchte. Deutlich hörte er die Stimme des Schwarzen mit dem typisch afrikanischen Tonfall.

Volltreffer. Nun fuhr Rolf die 12 km zur besetzten Zollstation Jestetten und meldete dort sein Erlebnis. Der Zöllner telefonierte mit der Polizei und teilte ihm dann mit, er solle bei der Bushaltestelle in Dettinghofen warten, sie würden dahin kommen. Rolf fuhr zurück und wartete, bis nach etwa vierzig Minuten ein grün-weisser Einsatzwagen der deutschen Polizei mit vier Mann eintraf. Als er ihnen eine Täterbeschreibung gab, wusste einer sogar, um wen es sich handeln könnte. Rolf zeigte ihnen das Fenster, wo inzwischen das Licht erloschen war. Der Einsatzleiter bat Rolf in den Kastenwagen, der auch gleich als mobiles Büro verwendet wird und erstellte ein Einvernahme-Protokoll auf einem Diktiergerät.

Schon bald stand eines der beiden Pärchen fröstelnd, direkt aus dem kurzen Schlaf, vor dem Einsatzwagen. Rolf erkannte sie wieder. Das zweite Paar wohnte an einem anderen Ort und musste erst noch geholt werden. Als alle vier versammelt waren, gab ihnen der Einsatzleiter noch die Chance, das Taxi nun zu bezahlen, das wäre strafmildernd, doch sie hatten kein Geld. Rolf konnte nun gehen und fuhr beschwingt im Gefühl seines Triumphes nach Hause. Einfach herrlich, wie er diese Taxipreller erwischt hatte, die sollten lernen, so geht das nicht, das Taxi fahren.

Ein paar Tage später rief ihn eine der Frauen an, entschuldigte sich und verlangte seine Kontonummer, damit sie ihm ihren Anteil bezahlen könne. Durch diese Wiedergutmachung habe sie Strafmilderung. Dann, zum Schluss, sagte sie noch, es sei ihr schleierhaft und unerklärlich, wie er sie habe finden können. Es hörte sich so an, als wollte sie damit sagen, bisher habe das immer funktioniert. Er sagte ihr nicht, wie er sie gefunden hatte.

 

Wir Wiener lieben die Zürcher

In der Zürcher Innenstadt, nachts etwa um halb elf Uhr, winkt ein gepflegter älterer Herr den vorbei fahrenden Taxi von Rolf zu sich heran. Er habe sich verlaufen und finde sein Hotel nicht mehr. Kein Problem, bitte einsteigen. Die gesuchte Fünf-Sterne-Adresse ist bloss zwei Strassenkreuzungen weiter, ungefähr 500 Meter. Rolf nimmt den Taxameter nicht in Betrieb für diese kurze Strecke, er will dem Mann kostenlos behilflich sein. Am Fahrtziel antwortet Rolf auf die Frage nach dem Preis mit Nichts, der kurze Weg sei gratis. Kommt nicht in Frage, bestimmt der Fahrgast und übergibt Rolf eine Zweihundert-Franken-Note aus seiner Brieftasche. Das ist für Sie. Rolf schaut ihn verdutzt an und stammelt, vielen Dank, aber das ist doch zu viel. Worauf dieser lächelnd aussteigt mit den Worten: Wissen Sie, wir Wiener lieben die Züricher.