Kelten und Druiden in der Schweiz


1. August - Lughnasad

1. August

Geschichte, keltischer Hintergrund, Herkunft und Bedeutung

Warum die Tradition der 1. August-Feier? Woher kommt der Brauch? Bekanntlich, [in Irland historisch gesichert], basierte der kulturelle Taktgeber als Festkalender in der keltischen Kultur auf den je zwei Tag- und Nachtgleichen und Sonnenwenden. Am 1. August war angeblich in der Keltiké mit Lugnasad ein Anlass zu einer der beiden Sonnenwenden, zur Sommersonnenwende im Juni mit dem längsten Tag bzw. der kürzesten Nacht, [die Verschiebung um 40 Tage kann mit der Vorbereitung der Aktivitäten erklärt werden], mit dem Gegenpol am 1. Februar mit Imbolg [Lichtmess]. Die beiden Wenden sind eingebettet in die Halb-Zeit-Wechsel durch die beiden Tag-und-Nacht-Gleichen, jene im September mit Samonios [Allerseelen] am 1. November und jene im März mit Beltane am 1. Mai [inhaltlich heute Ostern oder andere Frühlings- resp. Auferstehungs-Feste].

Im Jahr 8 v.Chr. beschloss der Senat in Rom, als weitere Ehrung von Gaius Octavius [Octavian] zum ersten römischen Kaiser den Monat Sextilis in Augustus umzubenennen, direkt nach dessen dem Vorgänger Iulius Caesar gewidmeten Monat Juli. Seither besteht der Monat August als Name. Die politisch relevante römische Umdeutung vom keltischen Lugnasad [siehe untenstehend Lug] in Gallien erfolgte über die keltische Stadt Lugdunon [Lugdunum], dem heutigen Lyon in Frankreich. In Lugdunum wurde durch den römischen Statthalter Drusus der Altar der drei gallischen Provinzen [Ara trium Galliarum oder Ara Romae et Augusti] mit dem Concilium Galliarum eingerichtet. Der Altar war der Roma und dem römischen Kaiser geweiht. Roma war eine Personifikation des römischen Staates oder der Stadt Rom. Hier tagte an jedem 1. August eines Jahres das Concilium Provinciae, der Landtag der gallischen Provinzen, zu dem die gallischen Stämme Vertreter entsandten. Aufgabe des Landtages waren die Entrichtung vom Kaiseropfer [Abgaben] und die Ausrichtung von Spielen zu Ehren des Kaisers [Kaiserkult]. Auf diese Weise bekundeten die unterworfenen Kelten ihre Loyalität zu Rom. Aus dem keltischen Lug wurde eine rein politische Veranstaltung, Augustus erklärte die nach Lug benannte Stadt Lugdunum [Lyon] zur römischen Hauptstadt Galliens und den Termin Lugnasad [1. August] zum zugehörigen Staatsfeiertag.

In einem übertragenen Sinn: Die Bundesfeier der schweizerischen Eidgenossenschaft am 1. August ist noch heute ein original 1:1 keltischer Lugnasad als Versammlung zum Schwur. Die Sage berichtet zum Mythos der Schweiz als Eidgenossenschaft, Conföderatio Helvetica, vom Rütli-Schwur und einem anfangs August 1291 datierten Bundesbrief [= Eid]. Seit 1891 wird mit einem offiziellen Bundes-Feiertag [nicht Nationalfeiertag, die multi-kulturelle Schweiz ist ein Bund und keine Nation] am 1. August gleich alles zusammen gefeiert: Bundesbrief, Rütlischwur und Wilhelm-Tell-Geschichte. Mit Höhenfeuer der Gemeinden und dem individuellen Abbrennen von Feuerwerk [Raketen, Böller, Vulkane etc.] wird die Betroffenheit für weit und nah sicht- und hörbar gemacht.

Bundes-Feier der Conföderatio Helvetica = Schweiz

Bundesfeier am 1. August ist die offizielle Bezeichnung des [Nicht-]National-Feiertages der Eidgenossenschaft. Die mehrsprachig multi-kulturelle Conföderatio Helvetica [= Schweiz] ist keine Nation, sondern ein Bund der Kantone mit einer Bundes-Stadt Bern. Die Schweiz hat weder National-Feiertag noch Hauptstadt wie andere Staaten. Der Schweizer-Psalm ist eine Bundes-Hymne und keine National-Hymne. Die üblichen [falschen] Redensarten mit Bezug auf national stammen von Ideologien aus dem 19. Jahrhundert.

Mit dem Verbot der keltischen Druiden-Schulen und deren Kulte durch römische Kaiser wurde ein Zerfall der keltischen Kultur endgültig und unwiderruflich besiegelt. Ein Drei-Kaiser-Edikt [Cunctos Populos] erhob im Jahr 380 in Rom das Christentum in der trinitarischen Form zur Staatsreligion. Die früheren Kulte werden 391 verboten. Der Glaube an einen einzigen Herr-Gott eignet sich vorzüglich als Platz-Halter eigener Nicht-Legitimation der weltlichen Herr-Schaft durch irgendwelche Regenten. Nach und nach werden nun auch nicht-römisch besetzte Gebiete christlich missioniert und durch Kloster-Besitz der Kirchen verwaltet.

Das zähe Festhalten der Menschen an ihren mündlich weiter getragenen Gepflogenheiten mit Brauch und Tradition veranlasste schliesslich die römisch katholische Kirche, ihre bisherigen Christianisierungs-Methoden mit Vernichtung und Todesstrafen zu ändern. Man ging dazu über, die heiligen Stätten der zu bekehrenden Menschen nicht mehr zu zerstören, sondern die für diese Plätze überlieferte Vorgabe zu nutzen, um dem an solchen Stellen bestehenden gedanklichen Inhalt ein christliches Gepräge zu geben.

Die keltische Jungfrau mit Kind

Beim Lugnasad in Irland am 1. August versammelten sich die Menschen auch zu Ehren der Adoptiv-Mutter Erde [Tailtiu]. Ein weiterer Aspekt von Lugnasad war die Hochzeit als informelle Bindung, die nur ein Jahr und einen Tag oder eben bis zum nächsten Lugnasad Bestand hatte und erneuert oder beendet werden konnte. Solche Versuchs-Ehen waren bis ins 16. Jahrhundert hinein üblich. In dieser Tradition steht noch heute die Verlobung vor der Heirat.

Eine adoptive Zieh-Mutter kann auch eine Jungfrau sein und so entsteht durch den kooperativen Beistand einer kinderlosen Frau die Jungfrau mit Kind. Lug heisst Eid und beinhaltet diese Zusammenhänge von Beistand und Treue zu gleichen Teilen für Frau und Mann [wie auf der Abbildung von Gundestrup unten].

Der zentrale Inhalt der Frau beim Lugnasad zeigt sich in der Umdeutung durch den katholischen Klerus. Mit der Synode von Liftinae in der belgischen Provinz Hennegau 743 unter dem Vorsitz des Bonifatius als päpstlichen Legaten wurde das Sammeln für den Kräuterbusch [auch -buschen, -büschel, -büscherl, -boschen] kirchlich verboten. Weil aber die Frauen weiterhin ihre Kräuter sammelten, [die Heilkunst mit Hilfe von Kräutern war stets eine den Frauen zugewiesene Domäne], wurde der Kräuterbuschen unter den Segen Marias gestellt; denn die Kräuter stellten die Hausapotheke dar.

Auf der Mainzer Synode von 813 wurde der kirchliche Feiertag Maria Himmelfahrt zum 15. August offiziell eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt stehen die heilkräftigen einheimischen Pflanzen unter dem Schutz und Symbol Marias und bekommen bis heute den christlichen Segen. Volkstümlich aber heisst die angebliche Himmelfahrt Grosser Frauentag, Unserer Lieben Frauen Wurzelweihe, Büschelfrauentag, Maria Würzweih usw. als Auftakt zu den Frauendreissiger genannten Marientagen der ehemals keltischen Mondphase Elembiu.

Mariä Himmelfahrt der Jungfrau

Der christlichen Gottes-Mutter Mariä Aufnahme in den Himmel am 15. August [lateinisch Assumptio Beatae Mariae Virginis], auch Mariä Himmelfahrt oder Vollendung Mariens ist ein Hochfest der römisch-katholischen Kirche obschon davon in der Bibel keine Rede ist. Dieses Fehlen in der heiligen Schrift ist ein Beleg, wie der katholische Klerus damit ein bereits vorhandenes und stark verankertes Brauchtum ersetzen musste. In Italien wird der auf den 15. August fallende Feiertag mit Ferragosto [Feriae Augusti = Festtag Kaiser Augustus] bezeichnet und gilt als einer der wichtigsten kirchlichen und familiären Feiertage Italiens. Patriarch Cyrill von Alexandria nutzte diesen Tag dann fünfhundert Jahre später für die Einrichtung des Marien-Festes, zumal die Menschen südlich der Alpen an diesem Termin ohnehin seit Urzeiten bereits eine andere Himmelfahrt feierten, nämlich jene der Astrae. Astrea oder Astraia verkörpert in der griechisch-römischen Mythologie die reine Jungfrau, welche die Welt verlässt aufgrund der Ungerechtigkeit unter den Menschen und sich im Sternbild der Jungfrau am Himmel verewigt. Sie ist die Personifikation der Gerechtigkeit, neben ihr steht das Sternbild Waage als Sinnbild. Als strafende Gerechtigkeit entspricht ihr die Justitia.

Allerdings war der Himmel zwischen Kelten und Römern oder Griechen von höchst unterschiedlicher Bedeutung, [was von vielen universitär Wissen-Schaffenden in der Tragweite leider ignoriert oder nicht verstanden wird]: Bei den Kelten war der Himmel nämlich kein Götter-Sitz. Die Erde liegt buchstäblich zu Füssen, bringt, trägt und nährt das Leben von dort hervor und nimmt es wieder auf. Der Himmel ist augenfällig der Ort, woher das Licht, Wasser und Wetter [auch Blitz und Donner] zur Erde kommen.

Quelle: Dr. Georg Rohrecker from www.diekelten.com

Ehrlich und gerecht durch die Nicht-Lüge,
mit Eid und Schwur = keltisch Lug und Lugnasad

Lug - Lugh

Der keltische Schwur oder Eid

keltisch Lugovos, gallisch Lugus oder Lugos,
irisch Lug[h]
von keltisch *lugiom = Eid,
ehrlich reden, nicht lügen.

[nicht zu verwechseln mit der germanischen Wortsippe von *leug- *leugan, liugan,
lug = lügen, Lug]

Lugnasad

[auch Lughnasad - Sommersonnenwende - Mittsommer]

Im gallo-römischen Kalender von Coligny ist der exakte Sonnenstand der Sommer-Sonnenwende vom Juni am 1. August in der mit elembiu- bezeichneten Juli-August-Mondphase. Der Inhalt bzw. die Bedeutung von elembiu ist noch unbekannt. Diese Mondphase hat sich vermutlich erhalten in der katholischen Überlagerung als so genannter Frauendreissiger mit Kräuter-Weihe in der Marienverehrung resp. der Mariä Himmelfahrt mit göttlicher Hochzeit [= keltischem Lug] und unbefleckter Empfängnis.

Dargestellt im Silber-Kessel von Gundestrup auf der Abbildung zum Lugnasad, wo Mann und Frau gemeinsam mit dem Rad verbunden sind über der Widderkopfschlange:

Lugh

Lug ist kein keltischer Gott, sondern der geschworene Eid
der [politischen] Kooperation und
das Zusammen-Wirken von Frau und Mann

[Die Lüge, der Nicht-Lug wird ersetzt durch den Eid, durch den Schwur].
Mit anderen Worten:
zusammen-wirken [kooperativ], ehrlich verbunden, gemeinsam stark

Im irischen Kalender heisst der Monat August noch heute Lunasa [von Lugnasad]. Nasad heisst Versammlung, Zusammenkunft. Lug heisst Eid, Schwur. Lugnasad ist demnach die Zusammenkunft oder die Versammlung zum Eid oder Schwur und hat rein gar nichts zu tun mit eingebildeten religiösen Motiven.

Zur stets rezitierten und voneinander abgeschriebenen Behauptung vom angeblich keltischen Gott oder vermeintlichen Gottheiten lesen Sie: keine keltischen Götter und Göttinnen.

Die Versammlung zum Schwur, zum Lug [= Lug[h]nasad] am 1. August ist der Sonnenwenden-Gegenpol zur Lichtmess am 1. Februar. Mit den Tag- und Nachtgleichen im März und im September [Äquinoktium] kann in Europa nördlich der Alpen eine Sommerzeit von einer Winterzeit unterschieden werden. Eine solche Hauptachse wurde vermutlich schon früh erkannt, wie als Beispiel die natürliche Sonnenuhr von Elm zeigen mag und in keltischer Kultur mit Beltane [Beltaine] und Samonios [Samhain, Samain] angeblich von den Kelten kultiviert wurde.

Lugnasad am 1. August und Lichtmess am 1. Februar nehmen hingegen Bezug auf die 40 Tage früher erfolgte Sonnenwende [Solstitium] im Juni und im Dezember. Das bedeutet eine eigenständige und unabhängige Erweiterung innerhalb der Halb-Zeit-Achse von Samonios-Beltane [... der offene keltische Ring als Signatur, das Keltenkreuz].

Die Tage oder Nächte werden kürzer oder länger. Lug stellt demnach eine Signatur dar im magischen Weltbild, das sicher hinweisende Zeichen auf den vergangenen längsten Tag im Juni und eine kommende Winterzeit. Daraus ergibt sich kein angeblicher Kreis der Jahreszeiten, welcher ohnehin nur für die sesshaften Ackerbauern den Kreislauf Saat-Ernte ergeben würde. Die beiden Tag- und Nachtgleichen und die beiden Sonnenwenden haben eine grundsätzlich je für sich andere, verschiedene Bedeutung [der keltische Jahreskreis].

1. August, Bundesfeier, Lugnasad, Lughnasad, Lugnasadh, Lughnasadh

Zur Tradition gehören die sommerlichen Alpfeste mit Schwingen, Steinstossen und anderem mehr. Im Brauchtum erhalten haben sich die magischen Bann-Gesten mit Fahnenschwingen, Alphornblasen und Jutsen [juchzen].

Der friedliche Zweikampf zum Kräftemessen, wie er im Schwingen und Ranggeln zum Ausdruck kommt, ist im Ursprung eine Eigenart in den Bergen und Alpentälern. Vorerst waren es die Bergdorfet und Chilbinen, an denen in urwüchsiger Art nebst dem Schwingen das Alphornblasen, Jodeln, Steinstossen betrieben wurde. In Anwesenheit einer Ländlermusik versammelten sich auf den Anhöhen ganze Talschaften, wobei die Dorfschönen in ihren ortsüblichen Trachten zum anschliessenden Tanz nicht fehlten.

Von diesen Bergdorfet haben sich mehrere bis auf den heutigen Tag hartnäckig erhalten. Die Lüderenchilbi im Emmental, sie findet immer jeden zweiten Sonntag im August auf der Lüderenalp statt, gilt als eines der ältesten Älplerfeste in der Schweiz [über 600 Jahre]. Höhepunkt ist das Schwingfest. Der Volksmund sagt, der letzte Heimkehrer trage schon den Herbst auf dem Rücken.

Im Verlauf der Neuzeit vermischte sich die Chilbi zum Teil mit anderen Festen oder Festanlässen [Alpabzug, Erntedank, Weinlese, Schlachtfest, Schützenfest]. Der stets rezitierte Bezug des Wortes Chilbi/Kilbi zur Kirchweih scheint nicht zwingend, weil vermutlich das keltische Wort Kill [für Weg, Richtung, im gälischen dann kleine Kirche] zum schweizerdeutschen Chile und Chilbi für Volksfest führte.

1. August, Bundesfeier, Lugnasad, Lughnasad, Lugnasadh, Lughnasadh

Volksfest 1470 in Einsiedeln
Schwingen, Steinstossen, Wettlauf und Weitwurf

 

1. August, Bundesfeier, Lugnasad, Lughnasad, Lugnasadh, Lughnasadh Seit dem legendären Woodstock-Festival im Jahre 1969 entwickeln sich auch an die Gefühlswelt der Musik gebundene Anlässe im August. So hat die Streetparade von Zürich 2006 rund eine Million Menschen mobilisieren können.

 

Seenachtsfeste mit grossem Feuerwerk bezaubern an manchen Orten die Zusehenden.

 

1. August, Bundesfeier, Lugnasad, Lughnasad, Lugnasadh, Lughnasadh Die angeblich grösste klassische Chilbi der Schweiz findet heute [2008] jeweils im September statt als Knabenschiessen der Stadt Zürich auf dem Albisgüetli am Fusse des Uetliberges, einem frühkeltischen Fürstensitz.

 

 

Maria - Unsere Liebe Frau

Jungfrau, Gottesmutter und Muttergöttin-Ersatz
von Dr. Georg Rohrecker
[from www.diekelten.com/mariamitkind.htm]

Bevor das Christentum im 4. Jahrhundert politisch instrumentalisiert wurde und zur Staats-Religion geriet war Maria, entsprechend der Rolle der Frau im Römischen Reich, kaum Gegenstand besonderer Verehrung oder Auseinandersetzung. Erst als es dann galt, die Untertanen der Kaiser, denen ja nun alle anderen Kulte bei Todesstrafe verboten waren, auf Teufel komm raus katholisch zu machen, wurde es notwendig, sich in gewisser Weise auch den religiösen Vorstellungen jener anzupassen, die nach wie vor an dominanten weiblichen Aspekten orientiert waren und von ihrer Mutter (Kybele, Isis, Artemis usw.) nicht lassen wollten. Hier musste für passenden Ersatz gesorgt werden, der den Heiden halbwegs vertraut und mit dem Christentum einigermassen kompatibel war.

Für diesen Spagat hatte schliesslich, vom Osten des Reiches ausgehend, die legendäre Mutter Jesu, Mirjam oder Maria, herzuhalten. Wesentlich erschwert wurde die Sache durch die heftigen Rivalitäts- und Machtkämpfe der höchsten Kirchenfürsten um die wahre Auslegung der Heiligen Schrift, in denen besonders die Patriarchen von Konstantinopel und Alexandria, Antiochia und Rom aneinander gerieten. Wie zuerst über die Natur Christi (Gott, besonderer Mensch, erst Mensch dann Gott usw.) gerieten sie zu Beginn des 4. Jahrhunderts über die Natur Mariens (Gottes-Gebärerin oder nur Christus-Gebärerin) so heftig aneinander, dass sie sich nicht nur gegenseitig exkommunizierten, sondern in ihrem Streit die ideologische Basis des spätantiken Römischen Reiches und damit die Einheit des Staates gefährdeten.

Der Streit eskalierte vollends im Jahr 431, als ein von Kaiser Theodosius II. einberufenes Konzil Klarheit schaffen sollte, das justament im ehemaligen Zentrum des Kultes der kleinasiatischen Grossen Muttergöttin Artemis, in Ephesos, der Hauptstadt der Provinz Asia, stattfand, wo die Christengemeinde schon seit einiger Zeit ganze Arbeit geleistet, das Artemision, den prachtvollen Tempel der Artemis, dem Erdboden gleichgemacht und das Museion, die Hohe Schule der Antiken Grossstadt, zur ersten Marien-Kirche der Welt umfunktioniert hatte. Der einstige Hort der Philosophie wurde zum Ort des Haders, Konzil genannt, der damit endete, dass sich nach monatelangen Kämpfen von rund 200 Bischöfen in Konzil und Gegenkonzil und dem Einsatz riesiger Bestechungssummen die Gottes-Gebärerin-Fraktion durchsetzte und das bis heute gültige Dogma verkündete, Maria sei tatsächlich Theotokos (=Gottes-Gebärerin) gewesen.

Von der Magd zur Waffe gegen etablierte Muttergöttinnen

Damit war aus der ehemaligen Magd des Herrn (Ancilla Domini) de facto die Gottes-Mutter und Himmels-Königin geworden; ein Rang, den in ihrem Kultzentrum Ephesos zuvor Artemis als Mutter aller Götter für sich beansprucht hatte. Die einst unschuldige Maria war von der machtbesessenen Funktionärs-Elite der spätantiken katholischen Kirche zur schärfsten Waffe gegen die alten Muttergöttinnen auserkoren und in der Stadt der Artemis in Stellung gebracht worden. Von zweideutiger Symbolik ist in diesem Zusammenhang die kolportierte Legende, Jungfrau Maria sei in Ephesos gestorben!

Mit dem Streich von Ephesos waren, vorerst im Osten des Römischen Reiches, nicht nur die alten heidnischen Muttergöttinnen deklassiert worden. Das Christentum hatte sich mit seiner Gottes-Mutter nicht zuletzt selbst eine verkappte Mutter-Göttin gegeben. Wie immer beeilten sich die Bischöfe West-Roms die eigene überragende Bedeutung herauszustellen. So glänzte ab dem Jahr 440 auch Rom, die ehemalige Hauptstadt des Reiches, mit einer prächtigen Marien-Kirche, Santa Maria Maggiore, die zum Teil noch im Original erhalten ist und heute eine der vier Patriarchalbasiliken Roms darstellt.

Von Rom aus war es aber noch ein weiter Weg, bis Maria als Muttergöttin-Ersatz auch in den Ostalpen Fuss fassen konnte. Hier, und in den anderen Einflussgebieten der keltischen Bethen-Trinität hatten zuvor zahlreiche andere Ersatz-Göttinnen den Boden bereiten müssen. Die verzögerte Einführung der Maria hatte u.a. damit zu tun, dass den Kelten die Personifizierung und bildliche Darstellung ihrer Göttinnen ursprünglich fremd waren. (Wozu auch ein Bild von Mutter Erde oder der Trinität!?). Die Religionsinhalte wurden viel mehr abstrakt und in rituellen Handlungen dargestellt. Und andererseits gab es auf regionaler, kleinräumiger Ebene, sozusagen für jedes Dorf und dessen Umfeld eine Unzahl von SchutzpatronInnen und natürlichen Erscheinungsformen des Göttlichen.

Marias ostalpine Vorkämpfer: Die Nothelfer

In dieser zersplitterten Situation der keltisch geprägten Ostalpen war die römisch-katholische Maria anfänglich keine passende Lösung. (Hier stand noch abstrakter Zentralismus gegen konkrete Kleinräumigkeit.) Der Zugang erfolgte daher ursprünglich über die schon den ortsansässigen Kelten heiligen Orte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, über Steine, Berge, Quellen, Bäume, Kreuzungen u.a. ehemals heidnische Kultplätze und Wallfahrtsziele, die durch einen (oft sehr oberflächlichen) Wechsel der SchutzpatronInnen bei zuerst annähernd gleichbleibender mythologischer Funktion okkupiert, also christianisiert wurden. Da stand in den Ostalpen über Jahrhunderte nicht Maria in der ersten Reihe, sondern die kaum modifizierte alte Bethen-Trinität, die sich im Laufe des Mittelalters zu den Drei Heiligen Madln, (K+M+B) Katharina+Margaretha+Barbara wandelte, begleitet von diversen Heroen, vulgo Nothelfern, die sich von den heidnischen Vorgängern oft nur durch vorgeblich christliche Vornamen unterschieden.

So stand bereits einige Zeit die alte Frauen-Trinität in Gestalt von K+M+B auf den Altären, als es dort endlich gelang, die zentrale Nothelferin der Gebärenden und Nachfolgerin der keltischen Fruchtbarkeits- und Muttergöttin Ambeth, die Hl. Margaretha, durch die keusche Gottesmutter Maria zu ersetzen, die im Laufe ihres Siegeszuges mit Attributen ausgestattet worden war, die zu den wichtigsten Funktionen der keltischen Muttergöttin-Trinität brauchbare Parallelen aufweisen konnte. Die Mutter-Sohn-Beziehung, Mutter Gottes : Gottes Sohn, entsprach dem alten Schema von der (ewig jungfräulichen) Muttergöttin und ihrem Heros-Sohn; mit dem kleinen grossen Unterschied, dass die heidnischen Heroen auch die (temporären) Geliebten ihrer Mütter gewesen sind.

Die häufige, von Isis abgekupferte, Darstellung der Gottesmutter, auf deren Schoss das Söhnchen thront, war seit der Zeit der Pharaonen eine Metapher für die Inthronisation des Herrschers durch die Muttergöttin, die ihn erst zum Souverän machte. Die Legitimation der Herrschaft durch die Göttin gehörte auch bei den Kelten zum zentralen Glaubensgut und wurde in einem grossen Fest als Heilige Hochzeit rituell und anschaulich nachvollzogen. Was die handfeste erotische Komponente des keltischen Rituals betraf, musste das diesbezüglich leibfeindliche Christentum mit seiner Magna Mater allerdings passen. (Das Christentum gab dem Eros Gift zu trinken; er starb nicht daran, aber er entartete zum Laster. Friedrich Nietzsche). Die Folge waren die seltsamsten Eiertänze zum Thema Sexualität, die nicht nur auf Abwege führten, sondern sich zeitweise fanatisch entladen konnten.

Des ungeachtet besetzte Maria im Laufe der Zeit die wichtigsten Positionen in der mythologischen Zuständigkeit, im christlich gewendeten heidnischen Brauchtum der Ostalpen, in den Festen im Jahreskreis, in der sakralen Infrastruktur (Kultplätze und Wallfahrtsziele). Doch bei näherem Hinsehen wird allüberall, von der Gross-Wallfahrt Mariazell bis zum kleinsten Frauen-Bründl, vom Grossen (15. Aug.) und Kleinen Frauen-Tag (8. Sept.) bis zu Maria Lichtmess (2. Feb.), vom Frautragen bis zur Maiandacht der keltische Hintergrund sichtbar. Wenn Sie z.B. erfahren, dass die Kirche vor der sie stehen Unserer Lieben Frau ... oder gar Unseren Lieben Frauen (!) ... geweiht ist, können Sie fast immer sicher sein: Hier regierte schon in keltischer Zeit eine besondere Liebe Frau, die weise, fruchtbare, beschützende und heilende Mutter-Trinität unserer heidnischen Ahnen.